CopyBuzz Launch @ re:publica: Interview mit Markus Beckedahl
Markus Beckedahl ist Gründer und Chefredakteur von netzpolitik.org, „eine Plattform für digitale Freiheitsrechte“. Er ist auch ein Gründer von re: publica.
Glyn Moody: Wann und wie haben Sie zum ersten Mal mit dem Urheberrecht zu beschäftigen?
Markus Beckedahl: Ende der 90er begann ich mich mit Netzpolitik zu beschäftigen und um Rahmen der EUCD [2001 Urheberrechtsrichtlinie]-Debatte und natürlich als Folge von Napster wurde mir klar, wie zentral eine Urheberrechtsgesetzgebung für eine digitale Gesellschaft sein kann. Dann begann auch schon die Debatte über Copyright-Enforcement und die Forderungen der Copyright-Lobby wurden immer schärfer und gefährdeten immer mehr unsere Grundrechte.
GM: Wie wichtig war das Urheberrecht als Thema in den frühen Tagen der Netzpolitik.org?
MB: Der Copywar war mit das zentrale netzpolitische Thema mitte der 0er Jahre und hatte in der Anfangszeit von netzpolitik.org eine zentrale Rolle. Im weiteren Sinne damit verwandt waren ja auch Debatten wie die um Softwarepatente, die wiederum großen Einfluss auf Open Source
Software hatte.
Die zentrale Rolle von Urheberrechtsgesetzgebung ist seitdem in unserer Berichterstattung etwas zurückgegangen. Das liegt einerseits daran, dass neue netzpolitische Debatten relevanter wurde, anderserseits gab es mit dem erfolgreichen Kampf gegen ACTA [Anti-Counterfeiting Trade Agreement] auch etwas Zeit zum Atmen, da der
Urheberrechtsdurchsetzungsradikalismus damit gestoppt wurde.
GM: Welche sind die wichtigsten Urheberrechtsgeschichten, die Sie auf die Netzpolitik geschrieben haben? Zum Beispiel, als die Deutsche Bahn Sie vor Urheberrechtsverletzungen für die Veröffentlichung eines ihrer internen Memos beschuldigte?
MB: Die Deutsche Bahn Abmahnung war nicht direkt wegen einer Urheberrechtsverletzung, sondern wegen dem Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Und diese Gefahr besteht immer noch, da wir keine bessere Gesetzgtebung haben, die Journalisten vor sowas schützt und Deutschland beim Thema Whistleblowerschutz immer noch ein Entwicklungsland ist.
Die eine bedeutende Geschichte hab ich gerade nicht, aber wir haben ACTA vom Anfang bis zum glücklichen Ende sehr intensiv gecovert und spielten wohl eine Rolle dabei, dass das Abkommen gescheitert ist.
GM: Was denken Sie über die neue EU-Urheberrechtsrichtlinie?
MB: Die Panoramafreiheit ist eines der Beispiele dafür, wie fernab der Realität eine Urheberrechtsgesetzgebung sein kann. Kaum ein Mensch versteht, warum man im Straßenbild bestimmte Sachen fotografieren und das dann auch nutzen darf. Und andere Sachen nicht.
Das Leistungsschutzrecht hat bereits in Deutschland nicht funktioniert und führt eher zu Rechtsunsicherheit, vor allem bei kleinen Anbietern und Startups.
Die Uploadfilter halte ich für die gefährlichste Idee in der ganzen Reform. Die Idee mag zwar nachvollziehbar sein, die Folgen für Grundrechte sind aber massiv und Uploadfilter können ein zentrales Element einer Zensur- und Kontrollinfrastruktur sein. Damit können auch viele legitime Remixe mit Satire- oder politischem Inhalt automatisiert gelöscht und damit in der Verbreitung verhindert werden.
GM: Deutschland hat bereits Erfahrung mit seinem Leistungsschutzrecht: warum sind deutsche Verleger so begeistert, trotz der Tatsache, dass es einfach nicht funktioniert (wie auch Spanien gezeigt hat)?
MB: Das Leistungsschutzrecht [LSR] ist in Deutschland auf Druck der Verlagslobby geschaffen wurden. Ich bin ja selbst Verleger auf netzpolitik.org und hab nie einen Sinn darin gesehen. Wer nicht will, dass Google & Co Snippets anzeigen, soll einfach die Robots.txt dahingehend ändern und Suchmaschinen aussperren. In Deutschland ist das LSR auch nicht erfolgreich. Das hinderte Günther Oettinger, unseren deutschen Spezialexperten für alles mit Nullen und Einsen, nicht daran, das einfach mal als Erfolgsmodell zu exportieren. Nach dem Motto: Irgendwann muss das doch einfach irgendwo funktionieren?
GM: Was wird mit der Upload-Filter-Idee passieren, die droht, Kreativität zu schaden und kontinuierliche Überwachung und Zensur in viele Websites einzubauen?
MB: Heutige Systeme können zwar vorhandene Bilder erkennen, wenn auch nicht zu 100 Prozent. Doch sobald diese verändert werden, durch Fotomontagen oder Meme-Filter, fallen sie wieder aus dem Raster. Stattdessen wird die Berichterstattung über solche Fälle erschwert, denn je nach Erkennungsgrad würden die Upload-Filter entsprechend bebilderte Posts nicht mehr durchlassen.
Und was bedeuten die Filter für unsere Grundrechte? Wenn automatisierte Filter alle Inhalte im Netz durchsuchen –irgendjemand muss ja schließlich feststellen, wer was hochlädt –, greifen sie damit automatisch in die Rechte der Nutzer ein. Die Meinungsfreiheit ist in Gefahr, wenn künstliche Intelligenzen darüber entscheiden, ob wir etwas posten dürfen oder nicht.
Beispiel Urheberrecht: Schon jetzt streiten Anwälte und Gerichte darüber, ob ein Remix oder ein satirischer Beitrag eine Urheberrechtsverletzung oder eine freie Meinungsäußerung darstellt. Wenn Plattformen wie Facebook und Google Upload-Filter einsetzen, nehmen sie diese Entscheidung vorweg –zuungunsten von Parodien, Remixen, Zitaten und mehr. Kreative Nutzer-Inhalte adé.
GM: Gibt es noch andere Elemente der vorgeschlagenen EU-Urheberrechtsrichtlinie, die Sie besorgt haben?
MB: Wo bleibt ein Recht auf Remix als weitere Schranke, möglicherweise analog zu den Fair Use Regeln aus den USA? Wieso ist es in den USA vollkommen legal, aus politsichen Gründen, aus Gründen der Wissenschaft und der Satire, Remixe und Meme anzufertigen und zu teilen, während das in der EU verboten ist?
GM: Die deutschen Verlage nehmen eine sehr wenig hilfreiche Haltung gegenüber der EU-Ratifizierung des Marrakesch-Vertrages für Sehbehinderte ein. Warum glauben Sie, dass deutsche Verleger so sehr widerstehen, wenn es eine so breite allgemeine Unterstützung für den Vertrag gibt?
MB: Deutsche Verleger setzen sich immer nur für Urheberrecht Verschärfungen ein und kämpfen an allen Fronten dagegen, dass es irgendwelche Ausnahmen gibt.
GM: Copyright Trolle scheinen in Deutschland ein besonders schlechtes Problem zu sein: warum?
MB: Die Umsetzung der Copyright-Enforcement-Directive hat in Deutschland eine riesige Abmahnindustrie geschaffen. Millionen Abmahnungen wurden verschickt. Das Geld kam dabei kaum bei Künstlern an, sondern finanzierte vor allem Anwälte und Rechteinhaber. In Folge dessen haben wir auch noch die sogenante Störerhaftung bekommen, so dass sich kaum jemand traut, sein WLAN zu öffnen. Die Folge ist, dass Deutschland kaum offene WLANs hat. Die Bundesregierung versucht aktuell zum dritten Mal, das zu reformieren. Ich lass mich überraschen, ob denen das gelingt.
GM: Was sehen Sie als die wichtigsten Bedrohungen für die digitale Welt, die aus dem Urheberrecht kommen?
MB: Urheberrecht ist kompliziert und basiert auf internationalen Verträgen aus der Vor-Digital-Zeit. Trotzdem ist das eine der zentralen Gesetzgebungen für die digitale Zeit. Wenn Urheberrechte radikal durchgesetzt werden, werden in der Regel unsere Grundrechte und damit unsere Freiheit eingeschränkt.
Wir brauchen Reformen und wir sollten uns nicht nur mit Abwehrkämpfen beschäftigen, sondern mehr Rechte für alle einfordern. Mit der RechtaufRemix.org Kampagne fordern wir z.b. eine Schrankenbestimmung in der EU.